Janine Berg-Peer/ Februar 28, 2020/ Alle Artikel, Angehörige/ 0Kommentare

Eine traurige Nachricht – Gudrun Schliebener lebt nicht mehr

Ich bin traurig. Vor zwei Tagen erreichte mich die Nachricht, dass Gudrun Schliebener nicht mehr . Gudrun, mit der ich noch bei einer Veranstaltung der DGPPN vor zwei Monaten verabredet hatte, dass wir bei ihrem nächsten Berlin Besuch auf jeden Fall Zeit einplanen würden, um abends bei Spaghetti und Rotwein über das Leben im Allgemeinen und das Leben als Angehörige im Besonderen zu diskutieren. Ich kann es immer noch nicht glauben. Gudrun hatte mir erzählt, dass sie, ebenso wie ich, sich nun auf das Alter und die letzte Zeit des Lebens vorbereiten würde. Sie hatte ein schönes Apartment in einer Einrichtung für alte Menschen gefunden und freute sich darauf, dort gut zu leben und gut versorgt zu werden.

Gudrun Schliebener hat seit vielen vielen Jahren die Geschicke des Bundesverbands der Angehörigen psychisch Erkrankter geleitet, sie hat für Angehörige von psychisch Kranken gekämpft, und ebenso für die Betroffenen. Sie hat sich nicht nur politisch eingesetzt, sondern sie hat auch in vielen Gremien der Gesundheitsversorgung, insbesondere für psychisch Kranke mitgearbeitet und dort Bestimmungen und Gesetze mit beeinflusst. Sie war eine Impulsgeberin und Rednerin bei vielen  Veranstaltungen der DGPPN.

Eine traurige Nachricht – Gudrun Schliebener lebt nicht mehr

weiße Kartoffelrose

Ich habe Gudrun kennen gelernt bei einer Veranstaltung des Bundesverbands, bei der sie beschloss, dass ich als Repräsentantin des Bundesverbandes zu EUFAMI, dem europäischen Dachverband der Angehörigen psychisch Kranke zu gehen. Als ich sie fragte, ob das denn auch allen anderen Angehörigen recht sei, erklärte sie fröhlich, dass sie das jetzt einfach so bestimmt habe und das sei auch gut so. So war Gudrun Schliebener: sie war nicht immer einfach, sie war eine Kämpferin, sie konnte streiten, aber sie hatte immer dabei ein Ziel im Auge: sie wollte die Welt besser machen für Angehörige und für psychisch erkrankte Menschen. Sie wollte die Bedingungen in Krankenhäusern und im weiteren sozial psychiatrischen Umfeld für erkrankte Menschen verbessern. Und da gab es kein Pardon. Ich war immer wieder überrascht, und beeindruckt, wenn Sie mir erzählte, wie sie bei einer Besuchskommission in einem Krankenhaus sehr schnell dafür sorgte, dass Bedingungen verändert oder abgeschafft wurden, die sie für die Betroffenen für unerträglich hielt.

Rote Blume

Ich habe sie wirklich bewundert, denn auch wenn ich mich ebenfalls für Angehörige einsetze, habe ich nicht diese Kraft und den Durchsetzungswillen, den Gudrun Schliebener immer besessen hat. Auch ihre fachliche Kompetenz habe ich bewundert: Wenn ich oft scheiterte an den verschlungenen Wegen der Gesetze und Bestimmungen in der Psychiatrie und den sozialpsychiatrischen Institutionen, gab es doch kein Gesetz, das Gudrun nicht kannte ud von dem sie genau wusste, wo es angewendet werden musste und wo es verbessre t werden sollte.

Eine traurige Nachricht – Gudrun Schliebener lebt nicht mehr

Aber Gudrun Schliebener hat nicht nur gekämpft, man konnte mit ihr auch lachen und feiern. Obwohl ihre Tochter sehr krank war und es nicht immer einfach war mit ihr, hat Gudrun mich oft zum Lachen gebracht mit Geschichten über ihre Tochter. Etwa wenn ihre Tochter wieder einmal aus der Einrichtung, in der sie lebte, verschwunden war und sich dann hoch zufrieden mit der Polizei wieder dorthin zurückbringen ließ. Sie betrachtet den Polizeiwagen als ihr persönliches Taxi, sagte Gudrun lachend. Wir konnten miteinander lachen, obwohl ich natürlich genau wusste und nachvollziehen konnte, dass diesem Polizeieinsatz schwierige und aufregende Stunden vorausgegangen waren für Gudrun. Aber so war sie. Sie hat nicht geklagt, nicht über ihre Situation, nie über ihre Tochter. Geklagt hat sie höchstens über mangelndes Verständnis von Ärzten oder unzureichende Fürsorge von Sozialarbeitern oder auch Pflegenden. Anders als viele andere Angehörige hat sie auch ihre Tochter nie versteckt. Sie machte mit ihr eine Schiffsreisen in den Norden und auch in andere Regionen. Als ich sie fragte, ob sie sich keine Sorgen mache, dass ihre Tochter schwierig werden könnte auf der Reise, sagte sie, das sei überhaupt kein Problem. Sie würde überall Ärzte finden und sie würde sich dafür einsetzen, dass mein Kind trotz der Schwierigkeiten immer gut behandelt wird. Sie erzählte witzige Gespräche mit ihrer Tochter und man merkte, dass sie stolz darauf war, dass ihre Tochter trotz Erkrankung manchmal eben so tough und witzig sein konnte wie es ihrer Mutter war.

Eine traurige Nachricht – Gudrun Schliebener lebt nicht mehr

Blaue Blume

Liebe Gudrun, du bist eindeutig zu früh gestorben. Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich sehe dich noch bei jedem DGPPN-Kongress Hof halten am Stand des Bundesverbandes der Angehörigen. Ich habe mich dann oft dazu gesetzt, um mit dir zu plaudern und war überrascht und habe es bewundert, dass kaum ein Chefarzt nicht zu dir an den Stand kam und, wie ich fand, auch eine Verbeugung vor dir machte. Ich glaube, das du sehr viele Psychiater und Psychiaterinnen beeindruckt hast und dass auch sie es sehr bedauern werden, dass eine so engagierte, durchsetzungsfähige und äußerst kompetente Streiterin für die Sache von psychisch kranken Kranken nun nicht mehr mit uns gemeinsam streiten kann.

Liebe Gudrun, ich denke jetzt daran, wie es wohl deiner Tochter gehen mag. Ich hoffe, dass sie Menschen finden wird, die sich für sie einsetzen und die sie so unterstützen, dass du, wo auch immer du jetzt sein magst, beruhigt und zufrieden an sie denken kannst. Du wirst mir und vielen anderen Angehörigen und auch Psychiatern fehlen.

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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