Janine Berg-Peer/ Dezember 27, 2019/ Alle Artikel, Angehörige, Empfehlungen, Veröffentlichungen/ 0Kommentare

Ein gutes und glückliches Neues Jahr!

Liebe Angehörige, ein Jahr ist wieder vorübergegangen, in dem sicher viele von Ihnen wieder unter den Schwierigkeiten gelitten haben, einem erkrankten Familienmitglied oder einem nahen Freund zu helfen. Viele Menschen wollen sich Weihnachten und über die Feiertage nicht mit wenig schönen Themen belasten, aber wir wissen, dass eine psychische Krankheit Weihnachten nicht aufhört, dass wir unsere Sorgen und Belastungen nicht nach den Feiertagen regulieren können.

Sie haben auch dieses Jahr wieder jede Möglichkeit versucht, zu unterstützen, aber auch sich abzugrenzen und konsequent zu bleiben. Das wird ein täglicher Kampf für uns bleiben – nur sollten wir ihn nie aufgeben. Die Dinge können besser werden, viele Erkrankte können auch nach Jahren noch einen guten Weg für sich finden, auch wenn es nicht immer der Weg ist, den wir uns für sie oder ihn gewünscht haben.

Unterstützung für die erkrankten Menschen, die wir lieben, gelingt aber nur, wenn auch wir für uns sorgen, wenn wir für uns Unterstützung organisieren, wenn wir Selbstfürsorge betreiben. Ich erzähle es immer wieder, was ich von einem jungen Psychotherapeuten vor vielen Jahren hörte, als ich weinend vor ihm saß. „Psychisch Kranke brauchen starke Eltern!“ sagte er zu mir und das hat mir die Augen geöffnet. Es nützt nichts, sich selbst zu bedauern, auf Psychiater zu schimpfen oder auf die Welt, die immer wieder stigmatisiert. Das alles ist verständlich, nützt aber unseren Kindern nichts. Wir müssen stark bleiben oder werden und uns – möglichst gemeinsam mit den Indern – überlegen, welche Schritte ihm oder ihr helfen können und wie wir sie darin bestärken können, einen guten Weg für sch zu gehen.

Ein gutes und glückliches Neues Jahr!

Das wird nicht immer einfach sein, denn die Vorstellungen unserer Kinder weichen oft stark von unseren Vorstellungen ab. Das ist übrigens auch bei kerngesunden Kinder so, wie meine Tochter mir immer wieder energisch erklärt. Wir sollten sie auch bei ihren Wegen begleiten, die vielleicht anfangs in eine Richtung gehen, die wir für falsch halten. Aber erstens können wir gar nicht wissen, ob es falsch ist und außerdem lernt jeder von uns auch durch einen möglicherweise falschen Weg. Sie müssen sich ausprobieren und für sich selbst herausfinden, was für ihr Leben gut ist.

Noch ein Wort zu den Eltern, die es nicht schaffen, ihrem erkrankten Kind Wünsche abzuschlagen. Ich gehöre genau zu diesen Eltern, die das lange Jahre nicht geschafft haben. Aber wir tun unseren Kindern keinen Gefallen, wenn wir immer wieder nachgeben, die Kinder bei uns wohnen lassen, sie verwöhnen, ihnen jedes Problem abnehmen. Auf diese Weise werden sie niemals ein Stück Selbständigkeit lernen, sie werden niemals Freunde finden, denn wir sind ja immer da. Und was ist, wenn es uns nicht mehr gibt? Dann fallen genau diese Kinder in ein Loch und können nicht selbst für sich sorgen. Heute bin ich der Meinung, dass es unsere Aufgabe ist, unseren erkrankten Kindern zu so viel Selbständigkeit wie möglich zu verhelfen.

Ein gutes und glückliches Neues Jahr!

Und auch für uns selbst ist es nicht gut. Wir machen uns abhängig von unseren Kindern und wir machen sie abhängig von uns. Wir werden krank oder unzufrieden. Aber auch Angehörige haben ein gutes Leben verdient! Wir müssen uns gegenseitig helfen, denn eine wirkliche Hilfe von der Psychiatrie können wir nicht erwarten, oder zumindest ist das in vielen Regionen Deutschlands noch so. Es geht einiges voran in der Behandlung  und Betreuung psychisch Erkrankter und das ist gut. In manchen Krankenhäusern werden deutlich weniger Medikamente gegeben, ambulante Betreuer*innen unterstützen im Alltag und mit den neuen Leitlinien der DGPPN soll auch die Unterstützung zuhause deutlich ausgebaut werden.

Aber wir Angehörigen stehen oft nach wie vor allein da. Ich engagiere mich noch seit über 20 Jahren für uns Angehörige und muss leider durch die vielen Anrufe und Berichte von Angehörigen bei Lesungen und Vorträgen feststellen, dass für uns kaum etwas besser geworden ist. Wir sollten uns also vor allem auf uns selbst und auf gegenseitige Unterstützung verlassen.

Ein gutes und glückliches Neues Jahr!

Zwei Informationen in eigener Sache

Jeden ersten Dienstag im Monat biete ich seit 2018 zusammen mit der Angehörigenakademie von AGAPLESION Bethanien eine ONLINE-ANGEHÖRIGENGRUPPE an. Dort gibt es übrigens auch weitere interessante Webinare. Sie können sich unkompliziert und kostenlos auf EDUDIP registrieren und dann an dieser Gruppe teilnehmen. Wer Probleme mit dem registrieren oder einloggen hat, kann sich direkt an www.edudip.com wenden und dort anrufen. Sie sind nett und erklären alles freundlich. Edudip: 0241 40047680‬

Im Lauf des Jahres werde ich auf meiner eigenen Akademie bei Edudip noch weitere Online-Seminare für Angehörige anbieten. Immer mal wieder draufgucken: https://www.edudip.com/academy/berg-peer

Und noch eine Neuigkeit: Im März 2020 wird ein neues Buch von mir erscheinen. Dieses Mal geht es nicht um psychische Krankheiten, sondern um das Alter, in diesem Fall um mein Alter. Ich war schon lange der Meinung, dass wir alten Menschen uns auf unser Alter vorbereiten müssen, insbesondere, wenn wir nicht unseren Kindern die ganze Last der Entscheidungen und organisatorischen Dinge überlassen wollen. So habe ich meinen Weg aufgeschrieben. Meine Suche nach einem geeigneten Wohnort im Alter, nach Pflege, meine unerfreulichen Erfahrungen mit der Kranken- und Pflegekasse. Ich habe mich auf Demenz testen lassen (vor vier Monaten war ich noch demenzfrei!), habe mich mit meinem Bestatter abgesprochen und mir ein Krematorium und einen passenden Friedhof angesehen. Ich habe meine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht aktualisiert, meine Wohnung begonnen, aufzuräumen und vieles wegzugeben, damit dann nicht so viel Arbeit für die Kinder übrig bleibt. Meine Recherchen und Suche nach einer geeigneten Unterstützung haben mir gezeigt, dass wir viel früher anfangen sollten, uns mit den letzten Jahres unseres Lebens zu beschäftigen. Es entlastet unsere Kinder, vor allem auch unsere erkrankten Kinder, aber es entlastet auch uns selbst. Aber natürlich kann bei meinem Buch auch gelacht werden, wie immer bei mir. Und 2020 werde ich natürlich auch dazu Lesungen anbieten.

Von mir uns meiner Tochter Henriette die besten Wünsche für ein neues und hoffentlich gutes Jahr!

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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