Janine Berg-Peer/ Februar 19, 2024/ Alle Artikel, Angehörige, Empfehlungen, Kritisches/ 0Kommentare

Freie Krankenhauswahl für psychisch Erkrankte? Von wegen!

Das sollte doch möglich sein, ebenso wie es für somatisch Erkrankte möglich ist. Aber so einfach ist das nicht: Wir haben schon erlebt, dass meine Tochter freiwillig in ein Krankenhaus ihrer Wahl ging und abgewiesen wurde, weil es nicht in ihrem Bezirk lag. Wir halten das für falsch. Profis und Angehörige wünschen sich dringlich, dass ihre Erkrankten Kinder oder Lebenspartner*innen freiwillig ins Krankenhaus gehen. Aber es wird ihnen schwer gemacht. Dabei sollten ihre Freiwilligkeit mit einer  freien Wahl honorieren. Aber so ist es leider nicht.

Wir müssen uns nicht wundern, dass viele unserer Kinder sich weigern, ins Krankenhaus zu gehen. Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie wieder in eine Krankenhaus müssen, in dem Sie sich schon das erste Mal nicht wohl gefühlt haben? In dem Sie die Psychiaterinnen nicht mochten, vor den Pflegenden Angst hatten und in denen Sie sich durch unsinnige und und erklärte Regeln eingeschränkt fühlten?

Freie Krankenhauswahl für psychisch Erkrankte? Von wegen!

Eine Psychiaterin erklärte mir, das liege daran, dass man den Betroffenen während ihrer Krankenhauszeit einen möglichst kurzen Weg nachhause bieten wolle, wenn sie Ausgang hätten. Klingt erstmal nachvollziehbar. Aber das ist wenig hilfreich, wenn die Kinder aufgrund ihrer Erfahrungen sowieso nicht in dieses Krankenhaus oder sogar nie wieder in überhaupt ein Krankenhaus wollen, weil die Erfahrungen das erste Mal schon nicht schön waren?

Ein Taxigutschein nachhause wäre sinnvoller, wenn die Betroffenen das Gefühl hätten, sich ihr Krankenhaus auswählen zu können. Wenn man ihnen überhaupt mehr Autonomie zubilligen würde, wenn es darum geht, wie sie ihre Erkrankung behandeln lassen wollen.

Freie Krankenhauswahl für psychisch Erkrankte? Von wegen!

Christian Zechert, der lange Jahre im Vorstand des Bundesverbands Angehöriger psychisch Erkrankter war, hat einen Artikel zu diesem Thema geschrieben,  der im Psychiatrie Verlag erschienen ist. Als ich ihn fand, war ich begeistert. Wunderbar, dachte ich, jetzt ist uns endlich mal klar, wie das mit der freien Wahl des Krankenhauses ist. Aber der – sehr gut geschriebene – Artikel liess uns mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück. Christian Zechert macht deutlich, dass Gesetze das eine, aber das Wohlwollen und Engagement von rechtlichen Betreuerinnen und Richterinnen das andere ist. Wir können also nicht sicher sein, ob sich die Betroffenen in ein Krankenhaus ihrer Wahl gehen können. Mal ist es so, mal anders.

Meine Tochter sagte noch, dass ein Krankenhaus immer sagen könne, es habe keine Betten frei, das könne ja ohnehin niemand überprüfen.

Gar nicht gut.

Dennoch bis bald, Janine Berg-Peer und Henriette Peer

Hier der Artikel von Christian Zechert zum Ausdrucken, den ich leider nur als PDF habe. Christian Zechert und der Psychiatrie Verlag haben uns die Erlaubnis gegeben, ihn hier zu zeigen.

zechert-psychiatrie-verlag-Die-freie-Wahl-des-Krankenhauses_21-1

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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