Janine Berg-Peer/ April 4, 2020/ Alle Artikel, Angehörige/ 0Kommentare

Angehörige psychisch Kranker fühlen sich alleingelassen

Morning Glory

Seit die Corona-Krise sich in die Länge zieht und nicht abzusehen ist, wann wir uns alle wieder treffen können, wann Beratungsstellen geöffnet sind und auch Krankenhäuser wieder auf Normalbetrieb umstellen können, rufen mich viele Angehörige aber inzwischen auch einzelne Betroffene an. Oft geht es nur darum, einen Rat zu bekommen, wo man Informationen bekommen kann. Oder noch öfter geht es darum, wie sich Angehörige in bestimmten Situationen verhalten sollen. Aber oft geht es auch nur einfach darum, mit jemandem zu reden. Ich bin keine Therapeutin, aber ich kann zuhören, und das reicht vielleicht auch manchmal. Viele Angehörige leiden darunter, dass sie ihre erkrankten Kinder nicht sehen können, sie nicht zu sich einladen oder sie nicht besuchen können. Besuche im Krankenhaus sind verboten. Das ist verständlich, aber oft für die Menschen im Krankenhaus sehr hart.

Angehörige psychisch Kranker fühlen sich alleingelassen

Ganz schlimm ist es, wenn die erkrankten Kinder nicht verstehen, warum sie ihre Eltern oder auch Freunde nicht sehen dürfen. „Ich habe es meinem Sohn erklärt, dass ich nicht kommen darf“, sagt eine Mutter. „Da hat er angefangen zu weinen.“ Andere Eltern haben es schwer, in diesen Corona-Zeiten Ansprechpartner in Kliniken zu finden. Beratungsstellen sind geschlossen, so dass Eltern, die gerade jetzt einen Rat brauchen, wo sich ihr Kind hinwenden kann oder wo man Informationen über Kliniken, Eingliederungshilfe oder ähnliches bekommt, in dieser Zeit besonders hilflos sind. Wir vergessen bei dieser Corona-Krise und bei diesem medialen Corona-Overkill leicht, dass auch Menschen mit anderen somatischen und psychischen Erkrankungen Hilfe brauchen. Auch der Landesverband der Angehörigen kann nur noch telefonische Beratung machen, aber da kommt es oft zu Engpässen, so dass viele Angehörige sich keinen Rat holen können. Angehörigen-Gesprächsgruppen finden nicht statt, so dass auch dieser regelmäßige Kontakt, der für viele Angehörigen wichtig ist, entfällt.

Angehörige psychisch Kranker fühlen sich alleingelassen

Auch mir fällt es schwer, meine Tochter nun schon seit Wochen nicht zu sehen, nicht mit ihre essen gehen zu können oder zuhause mit ihr zu kochen. Aber sie ist „systemrelevant“, hat viel

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persönlichen Kontakt zu Klienten, geht auch in deren Wohnungen, so dass ich als alte Frau (Hochrisikogruppe) auch Angst habe, mit ihr direkten Kontakt zu halten. Aber sie fehlt mir.

Wir müssen in dieser Zeit kreativ sein: Viele telefonischen Kontakt halten, am besten regelmäßige Zeiten ausmachen, in denen man sich telefonisch trifft. Vielleicht auch Skype- oder Zoom-Sitzungen abhalten, bei denen man sich doch etwas näher ist, weil man sich sehen kann. Hübsche Postkarten schicken oder kleine Päckchen für Ostern packen. Oder wenn das zu viel ist, dem erkrankten Kind einfach einen Geldschein in einen Umschlag stecken – diese kleinen gaben sind immer willkommen.

Angehörige psychisch Kranker fühlen sich alleingelassen

Aber wir Angehörigen können auch Online-Chatgruppen miteinander verabreden. Das geht

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inzwischen kostenlos über viele Plattformen und damit hat man ein besseres Gefühl, sich auszutauschen. Auch ältere Angehörige, die sich noch nicht so gut mit dieser Technik auskennen, können das lernen. Melden Sie sich bei Skype oder auch bei Zoom an, dort wird alles einfach erklärt. Es rächt sich in diesen Distanzzeiten, wenn man sich vorher nicht mit diesen technischen Möglichkeiten beschäftigt hat. Jetzt ist auch für uns alte Angehörige die Zeit, etwas Neues zu lernen. Machen Sie auch mit anderen Angehörigen regelmäßige Telefontermine ab, dann vergeht das Gefühl, ganz allein mit seinen Problemen zu sein.

Angehörige psychisch Kranker fühlen sich alleingelassen

Manchmal hilft es, einfach ein bisschen ineinander zu reden. Daher können mich in dieser Corona-Zeit Angehörige anrufen, ohne dass ich ein Honorar berechne. Ich kann keine Masken nähen, ich kann auch keine Lebensmittel transportieren oder für andere alte Menschen einkaufen. Aber jeder und jede kann irgendetwas tun, um zu unterstützen.Ich kann reden und vor allem zuhören.

Also: Rufen Sie an, wenn Sie ein wenig Unterstützung brauchen.

Und: Am 7.4.2020 findet wieder meine Online-Angehörigengruppe von 18:00 – 19:00 statt.

Registrieren Sie sich auf www.edudip.com, geht auch anonym: Dann klicken Sie auf 

https://angehoerigen-akademie.edudip.com/w/317906,

dann werde Sie am 7.4.2020 etwa eine Stunde vorher per Mail erinnert und dann schalten Sie sich zur Gruppe dazu. Wir freuen uns!

Und zum Schluss möchte ich doch noch einmal an meine neues Buch erinnern. Es klingt vielleicht unpassend, gerade jetzt an den Tod zu denen, aber Sie werden sehen, dass es sich schön liest, dass ich von den vielen kleinen und größeren Misserfolgen, aber auch von netten Menschen berichte, denen ich begegnet bin. Es gibt auch wieder eine Zeit ohne Corona, und gerade für uns ältere Menschen, die wir ein psychisch erkranktes Kind haben, ist es sinnvoll, sich frühzeitig auf alles vorzubereiten, was auf uns oder auf unsere Kinder zukommen kann. Übrigens: Die ersten Leser/innen, schickten mir vergnügte Mails, in denen sie schrieben, dass sie oft während der Lektüre  des Buchs kichern mussten.

Bis bald! Halten Sie durch und bleiben Sie gesund!

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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