Janine Berg-Peer/ Mai 26, 2016/ Alle Artikel, Angehörige, Termine/ 0Kommentare

salzburg1Abenteuer Angehörigsein

Wieder eine interessante, informative und auch schön gestaltete Tagung in Salzburg! AHA! – Angehörige helfen Angehörigen, Salzburg und HPE – Hilfe für Angehörige psychisch Kranker – Österreich feierten zusammen ihre Jahrestagung. Der Morgen des ersten Tages begann mit drei interessanten Beiträgen. Das Thema der Tagung insgesamt war Abhängigkeiten, CO-Morbidität und Sucht. Die äußerst interessante Referenten berichteten in Vorträgen und Workshops aus ihrem Fachgebiet. Hier sind alle Folien:

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Deutenhauser_resilienz-WS

Bacher_Wege_aus_der_Abhaengigkeit

Psychische_Erkrankung_Sucht_Familie_Reininger

Frauenschuh_genusstraining

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Abenteuer Angehörigsein

Am Abend feierten wir dann zum einen das 25. Jubiläum von AHA! Salzburg. Sigrid Steffen, die langjährige AHA-Vorsitzende, zeigte auf, was der Verein in den vielen Jahren des gemeinsamen Kampfes erreicht hatte. Sie wies auch auf die positive Unterstützung durch die politischen Verantwortlichen und auch die Verantwortlichen in der Psychiatrie und Sozialpsychiatrie hin. Gleichzeitig zeigte sie aber auch auf, wo es immer noch Lücken gibt und welche Mängel vor allem in der ambulanten Versorgung existieren. Es bliebe noch viel zu tun, sagte sie den fast 130 Teilnehmern.

Besonders kreativ war ein Videofilm, in dem die Organisatoren vielen unterschiedlichen Menschen – Psychiatern, Psychotherapeuten, Angehörigen, Politikern und auch Betroffenen Zeit zu einem kurzen Statement gegeben hatten. Und die Vielfalt der Antworten zeigte, wie an welche Stellen überall noch weiter gekämpft werden muss und auch welche Wünsche alle Beteiligten immer noch haben. Ich war dann gebeten worden, einen kurzen Vortrag zum Thema A Abenteuer Angehörigsein“ zu halten. Ich versuchte den Teilnehmern zu zeigen, dass freiwillige Abenteuer immer etwas anregendes, neues, spannendes und schönes sind. Aber wenn wir Angehörige unfreiwillig in ein Abenteuer gestürzt werden, dann sieht das anders aus: Es ist nicht anregend, sondern aufregend. Es ist neu und unbekannt und macht Angst. Es ist nicht spannend, sondern erhöht unsere Anspannung. Wir kommen nicht erholt und mit neuen Anregungen aus unserem Abenteuer zurück, sondern unser nicht enden wollendes Abenteuer lässt uns oft ermattet, entmutigt und oft auch krank zurück. Auch meine Folien können Sie hier ansehen.

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Am Abend wurde in dem schönen Bildungszentrum St. Virgil ein wunderbares Dinner serviert, was noch durch einen interessanten und unterhaltsamen Beitrag eines Salzburger Schauspielers verschönert wurde.

Abenteuer Angehörigsein

Am nächsten Morgen durfte ich den Festvortrag zum Thema „Un-Abhängigkeiten“ halten. Ich habe mich damit beschäftigt, was uns unseren Angehörigen passiert, wenn wir nicht loslassen. Ich weiß, dass das Wort Loslassen“ unbeliebt ist, aber Festhalten heißt abhängig zu sein. Wir müssen bestimmte Ängste, aber auch manche Grundüberzeugungen oder auch Vorurteile loslassen, wenn wir nicht von der Krankheit oder auch dem Gesundheitszustand oder auch den Launen unseres betroffenen Kindes oder Partners abhängig bleiben wollen. Auch meinen Beitrag hierzu können Sie hier lesen.

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Danach zogen sich die Teilnehmer in Workshops zurück und erarbeiteten Fragen, die sie anschließend den Podiumsteilnehmern stellen wollten. Dann folgte die interessante Podiumsdiskussion: Ein Psychiater aus Salzburg, der sich auf Sucht und Abhängigkeiten spezialisiert hatte, informierte noch einmal sehr kompetent über dieses Thema. Vor allem wies er mit großer Eindringlichkeit auf die bislang noch nicht wirklich erfassten Gefahren neuer Drogen in. Das war auch für mich neu und sehr beängstigend. Dabei ging es weniger um Drogen wie Crystal Meth, was inzwischen schon bekannt ist, sondern um völlig neue Drogen, die in irgendwelchen Garagen zusammengepantscht werden, wie er sich ausdrückte, und die man problemlos im Internet bestellen kann. Dazu gibt es ganz bestimmte Seiten oder Browser, die Eingeweihte kennen und auf denen man in großen Mengen „Badesalze“ bestellen kann. Das Gefährliche an diesen neuen Drogen ist, dass man ihre Zusammensetzung nicht kaum kennt und sie daher auch häufig bei den Süchtigen nicht identifizieren kann. Hinzu kommt, dass diese Drogen wohl sehr schnell abhängig machen. Sie führen auch schnell zu extremen Psychosen, und wenn die Menschen sich davon nicht lösen konnten, dann auch sehr häufig zum Tod. Das war ein ziemlich beunruhigendes neues Thema für mich, mit dem sich wahrscheinlich viele Angehörige intensiv beschäftigen müssten.

Abenteuer Angehörigsein

Ein Highlight war dann Herr Rauchegger, der sich selbst als Alkoholiker vorstellte, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, jetzt junge Menschen, die gerade Autofahren lernen oder auch in der Schule sind, zu erklären, welche Gefahren mit Alkohol verbunden sein können. Herr Rauchegger ist noch etwas älter als ich, hatte eine erste Karriere als Bibliothekar im Vatikan, bevor er dann nach seinen Worten eine Karriere als Säufer begann. Es ist ihm dann gelungen, sich davon freizumachen, und er hat im hohen Alter dann noch einmal Psychologie studiert.

Die Podiumsdiskussion wurde von einem sehr netten Journalisten moderiert, dem es gelang, das Redebedürfnis von uns Referenten mit dem Fragebedürfnis der Zuhörer in Einklang zu bringen. Ich dürfte mitdiskutieren und damit auch einen interessanten Abschluss dieser wunderbaren Tagung miterleben. Für mich war es interessant, das ich öfter gefragt wurde, wie man den meine praktische Hinweise zur persönlichen Veränderung umsetzen können und wie man sinnvoll mit dem eigenen erkrankten Kind ins Gespräch kommen könne. Das lässt sich natürlich in so einer Podiumsdiskussion nicht ausführlich besprechen, aber ich bin mit der Absicht von dieser Tagung wieder zurückgekehrt, genau zu diesen Themen Seminare anzubieten.

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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