Janine Berg-Peer/ Juni 19, 2013/ Alle Artikel/ 3Kommentare

07__Blume„Schizophrenie ist scheiße, Mama!“

Morgen kommt nun endlich mein neues Buch über die Schizophrenieerkrankung meiner Tochter heraus. Darauf freue ich mich schon. Es ist ja ein langer Prozess, von der Idee über das erste Schreiben bis zur Fertigstellung. Die Suche nach einem Verlag hat mir meine großartige Literaturagentin Bettina Querfurth wieder einmal abgenommen. Und dann ging alles ganz schnell. Der Fischer Verlag sagte zu und nach acht Monaten begann dann die Arbeit mit meiner ebenfalls wunderbaren Lektorin Sybille Meyer. Bettina Querfurth hat mich bei dem Projekt sehr ermutigt, Sybille Meyer hat viel dazu beigetragen, dass mein Buch so wurde, dass ich gern damit nach außen gehe. Ich verzeihe ihr sogar :-), dass sie viel gekürzt hat, aber ich gehöre ja auch zu den Autorinnen, die eher zu viel als zu wenig schreiben. Und zu viel ist dann eben auch manchmal zu viel.

„Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ Mein Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter

Es ist nicht immer einfach, ein Buch zu schreiben über ein Thema, das einem so sehr nahe geht. Ich habe lange überlegt, ob ich es schreiben sollte, aber es war mir ein Bedürfnis, darüber zu schreiben, wie meine wundervolle Tochter, die von dieser bösartigen Krankheit getroffen wurde, trotz schlimmer Rückschläge immer wieder darum gekämpft hat, ihr Leben wieder zu bekommen. Von Freunden und von Angehörigen wurde mir abgeraten. Aber ich möchte, dass Menschen wissen, dass Schizophrenie – und andere psychische Erkrankungen – Krankheiten wie alle anderen sind. Menschen mit diesen Erkrankungen haben keinen schlechten Charakter, sind nicht bösartig oder faul (Depression), sondern dass sie sehr leiden müssen. Menschen mit diesen Krankheiten sind völlig normal, sie sind nur krank. Und dass sie von uns allen sehr viel Unterstützung und Freundlichkeit und Verständnis brauchen. Ich möchte auch, dass Menschen wissen, wie sehr wir Angehörige zunächst unter den Auswirkungen der Krankheit leiden, dann aber auch unter der Schuldzuweisung, der wir in der Öffentlichkeit, gestärkt durch Medien, immer wieder begegnen und auch darunter, dass Ärzte und die sozialpsychiatrischen Dienste uns nicht immer so unterstützen, wie wir es brauchen un05_Angehoeriged wie es auch für die Erkrankten besser wäre.

„Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ – Es ist meine Sicht, nicht die meiner Tochter!

Ich bin keine Expertin für Schizophrenie, sondern berichte von meinen Erfahrungen. Andere Eltern oder Partner/innen können andere Erfahrungen gemacht haben. Auch meine Tochter hat diese vielen Jahren sicher anders erlebt. Ich ermutige sie jetzt dazu, auch aus ihrer Sicht ein Buch zu schreiben, denn sie schreibt großartig. Aber das möchte sie noch nicht. Sie arbeitet jetzt wieder und ist dabei, sich ihr Leben zurück zu erobern. Sie kann sich nach langer Zeit mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigen: Sie achtet darauf, dass sie wieder hübsch aussieht, macht Sport, liest unendlich viele Bücher, was ihr die Krankheit unmöglich machte und trifft sich mit Freunden. Ein ganz normales Leben. Ein Leben, das vielen Menschen mit psychischen Krankheiten phasenweise unmöglich gemacht wird.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat mich am Wochenende schon zu dem Buch interviewt. Das ist schön, denn es bedeutet, dass das Thema, das uns Angehörige so sehr beschäftigt und belastet, auch für wichtig gehalten wird. Ich hoffe, dass viele Menschen das Buch lesen und freue mich auf Rückmeldungen, positive und kritische.

file://localhost/Users/janineberg-peer/Desktop/F1306161.053-Artikel-FAZ.pdf

Bildnachweis: © w.r.wagner / pixelio

und eigene Bilder

 

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

3 Kommentare

  1. Ich gratuliere Ihnen zur Buchveröffentlichung! Ich finde es sehr mutig, dass Sie Ihre Geschichte für jeden zugänglich machen. Der Link zum FAZ-Artikel funktioniert jedoch nicht. Ich habe ihn trotzdem gefunden:
    http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/leben-mit-einer-schizophrenen-tochter-ich-stelle-mir-vor-der-kopf-ist-durchlaessig-12223320.html

    1. Danke. Ich werde dazu etwas in meinem Blog schreiben.

  2. Pingback: Schizophrenie, Depression, Suizid - Tipps für Medien

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