Janine Berg-Peer/ April 3, 2018/ Alle Artikel, Angehörige, Kritisches, Veröffentlichungen/ 1Kommentare

Mein Beitrag in der PSU: Überfürsorglich, labil, symbiotisch?

Heute ist mein Artikel zum Thema „Stigmatisierung von Angehörigen psychisch Erkrankter“ herausgekommen, zumindest online ist er schon da. In der gedruckten Version scheint er dann am 8.4.2018. Mir ist das Thema wichtig, nicht nur, weil es nicht „nett“ ist, wenn wir stigmatisiert werden, sondern weil ich überzeugt davon bin, dass diese Stigmatisierung auch bei der Unterstützung unserer erkrankten Kinder oder Lebenspartner schadet. Die Stigmatisierung von uns Angehörigen wird natürlich oft nicht deutlich ausgesprochen. Es kommen so Sätze wie „Es war sicher nicht schön für Ihr Kind, dass Sie sich haben scheiden lassen“, oder „Sie sind ja auch beruflich sehr ehrgeizig“ oder „Ich bin überzeugt davon, dass Sie Ihrem Kind viel zu wenig (oder zu viele) Grenzen gesetzt haben“.

Mein Beitrag in der PSU: Überfürsorglich, labil, symbiotisch?

Auch die Betroffenen „wissen“, was wir alles getan haben, um sie in die psychische Krankheit zu schicken: Wir waren zu zärtlich (!) oder zu wenig, wir haben vorgelesen, oder das auch nicht getan, wir haben uns gestritten oder waren einfach viel zu streng, wir waren immer da oder nie da. Es gibt sicher Vieles, was wir Eltern nicht immer richtig machen, aber macht das jedes Kind psychisch krank? Aber lesen Sie selbst.

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In der gleichen Ausgabe ist auch ein Artikel von Herrn Dr. Ruesch zum Thema Stigmatisierung, der sehr interessant ist. Ich habe ihn hier nicht heruntergeladen, weil ich dazu sicher die Erlaubnis von Herrn Dr. Ruesch brauche. Aber den Artikel können Sie ebenso auf der Seite der PSU kostenlos herunterladen.

Mein Beitrag in der PSU: Überfürsorglich, labil, symbiotisch?

Ich hatte schon gedacht, dass ich vielleicht ein bisschen streng bin mit den Profis, weil doch Viele so nett sind zu uns und auch sehr gute Arbeit mit oder für unsere Kinder machen. Aber dann erlebe ich Folgendes: Ich sitze zusammen mit einer jungen Psychologin, die bei einem Träger arbeitet, der ambulante Betreuung und ähnliches für Betroffen anbietet. Sie ist wirklich nett, engagiert, erzählt begeistert von Ihrer Arbeit. Sie möchte mit Betroffenen auf Augenhöhe arbeiten, sie findet systemische Beratung gut, weil das für die ganze Familie so wichtig ist und hilft, die Beziehungen in Familien zu verbessern. Sie beschäftigt sich mit Open Dialogue, der Methode, in der sich Betroffene, Profis und Angehörige gleichberechtigt austauschen können. Ich freue mich. Schön, dass es so engagierte junge Profis gibt. Und dann kommt es: Sie überlegt, ob sie vielleicht bei ihrem Träger eine Angehörigengruppe anbieten sollten. Ich finde das prima, denn ich weiß aus Erfahrung, dass wir Angehörigen gar nicht genug Unterstützung brauchen können.

Mein Beitrag in der PSU: Überfürsorglich, labil, symbiotisch?

Dann sagt sie den bedenkenswerten Satz „Ich bin aber gar nicht so sicher, ob Angehörige das auch annehmen würden. Sie haben schließlich ihre Familienmitglieder bei uns geparkt (!!!) und wollen nicht mehr viel damit zu tun haben.“ Da haben wir es, wir sind froh, wenn wir unsere erkrankten Kind irgendwohin schieben können, parken können, und wollen uns dann nicht mehr mit ihnen beschäftigen. Das weiß diese 25jährige Dame, die einfach altersbedingt kaum über irgendwelche Erfahrungen mit dem jahrelangen Leiden und den Kämpfen und der Verzweiflung von Angehörigen verfügen kann. Es ist nicht nur stigmatisierend uns gegenüber, sondern es lässt mich auch am Selbstverständnis von Menschen bei einem Träger zweifeln, der sich um gute Angebote für psychisch Erkrankte kümmert. Empfinden sie sich als Garage oder einen alten Kellerraum, in der man etwas parkt oder verstaut, das man nicht mehr braucht? Verstehen sie ihre Arbeit nicht als ein wichtiges Angebot für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, das diese vor erneuter Krise und oft auch Obdachlosigkeit schützt? Sind sie nicht der Meinung, dass es besser ist, in einer betreuten Wohnung zu wohnen, als jahrzehntelang in einem Zimmer bei immer älter werdenden und oft überforderten Eltern?

Mein Beitrag in der PSU: Überfürsorglich, labil, symbiotisch?

Ich habe mich leider wieder aufgeregt. Aber sie war so nett und so engagiert. Ich war zu feige, ihr zu sagen, wie sehr mich diese Bemerkung gekränkt hat. Für alle anderen Angehörigen gleich mit.

Der Titel meines Beitrags hätte heißen müssen:

Überfürsorglich, labil, symbiotisch, desinteressiert…..

So sind wir Angehörigen.

 

 

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

1 Kommentar

  1. liebe Frau Berg-Peer vielen Dank für ihre Arbeit, die Sie leisten. dieser Artikel zeigt mir, wiedereinmal wie sich die „Götter“ oder angehenden „Götter“ in Weiß oder der Psychiatrie und der Institutionen sich äußern. Und es ist traurig genug, aber ich denke es wird Zeit, dass man sich so etwas nicht mehr sagen lassen muss. Denn ja genau das ist der „psychologische“ Druck der aufgebaut wird ich habe das ebenfalls erlebt. Ich nenne das „groben Missbrauch“ der Kunst der psychologie.
    Ich werde niemals mehr einer psychiatrischen Behandlung zustimmen oder diese unterstützen. Denn es mag ein Einzelfall sein, aber „Zwangsbetreuung“ “ Zwangsbehandlungen“ hatten bei meinem Sohn schwerwiegende Schäden hinterlassen. Und ich hatte an Hilfe für meinen Sohn geglaubt gehabt.. Ich hatte gelaubt „Psychologen“ würden die gesamte „Lebenssituation!“ betrachten doch. Obwohl ich täglich in der Klinik war, fand ich weder Gehör, noch Unterstützung, sondern wurde als Mutter mit stigmatisiert. Das heftigste war, ich sah die Symptome einer Tablettenunverträglichkeit bei meinem Sohn kommen, ich sagte das den Ärzten, ich schickte meinen Sohn hin, der so ruhig gestellt war, dass er sich nichts mehr sagen traute. Und er musste kollabieren. das äußerte er den nächsten so::: “ Mama mein Kopf war schief, die Zunge hing raus und die mussten mich ins Bett bringen und mir eine Spritze unter die Zunge geben. Dann bin ich eingeschlafen“ Dannach wurden erst die Medikamente geändert und er wurde auf eine andere Abteilung verlegt. Zur Entlassung wurde ihm dann gesagt, er hätte die Tabletten nicht nehmen müssen und er hätte nicht bleiben müssen. Gleichzeitig wurde er nur entlassen, wenn er einen Termin bei einem Psychiater vorweisen konnte. Was ist das? frage ich mich, er bekam dann einen „behindertenstatus“ Das ist nur der Anfang einer Lebensgeschichte. die bis heute andauert. Ja auch ich leide´, aber ich bin jetzt bereit zu kämpfen und zwar gegen diese Art der Zwangs-Psychiatiesierung.. Ich empfinde das als menschenunwürdig. Denn die Wissenschaft ist fortgeschritten, über Kriegstraumatas und andere Traumatas über Lebenskrisen, die u. anderem auch dadurch hervorgerufen werden können. Denn was ist krank? Was ist schizophren? Bin ich krank – wenn ich unrecht erkenne und die äußere? wie bei Gustl Molbath? Wieviele dieser Fälle gibt es? und was ist dran an den Nebenwirkungen von Tabletten – die zu Amokläufen führen können? Aber statt die Medikamente vom Markt zu nehmen, werden die Gesetze verschärft. Statt die Bedürfnisse des Menschen zu erkennen, wird wegsperren per Zwangspsychiatrie bevorzugt. Das macht mir Angst und die ist nicht eingebildet sondern ich kann darüber berichten, dass bei Abwesenheit selbst meine Wohnung aufgebrochen wurde um meinen Sohn zu finden, weil er nicht zu einem Gutachter gehen wollte. . Was ist das? Menschenjagd? . Und keine Rechtsanwalt zu finden, der das übernehmen will. zu komplex – Und ich finde es absolut nicht ok, wenn jemand auf Grund einer „Krankheit“ obdachlos werden soll. Das sind Themen die ein „Bedingungsloses“ Grundeinkommen regeln und verhindern würde. und viele „sorgenvolle Eltern unter Umständen entlasten würde. Wenn Sie mich nicht dahin choachen wollen, dass ich einer Psychiatriebehandlungen zustimmen soll, sondern mir den Rücken stärken wollen gegen diese „Missstände“ wirkungsvoller vorzugehen freue ich mich auch einen Kommentar herzlichst für eine gesündere Welt

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