Janine Berg-Peer/ November 4, 2014/ Alle Artikel/ 0Kommentare

Deutsche Angehörige unzufriedener

Erste Ergebnisse der EUFAMI-Befragung liegen vor. Besonders interessant ist es, dass die deutschen Befragten sich deutlich unzufriedener mit der ärztlichen Versorgung zeigten. Besonders unzufrieden waren sie mit  schneller Hilfe in Krisensituation. Sie bescheinigten Ärzten und anderen Fachleuten, keine Unterstützung und kein Verständnis für ihre Situation als Angehörige zu erhalten. Sie waren unzufrieden mit der Information über Krankheit und mögliche Hilfen.

Befragt wurden Angehörige von Menschen mit der Diagnose Schizophrenie in Australien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien. Der Frauenanteil lag bei 80%. In Deutschland waren 53% der Angehörigen allein zuständig (38%in anderen Ländern), der Betreuungsaufwand pro Woche lag bei 19 Stunden in Deutschland (23 Stunden in andren Ländern). Besonders beunruhigt die Befragten die Frage, was mit ihrem Kind in Zukunft passiert, die finanzielle Situation ihres Kindes, 42% der Befragten in Deutschland litten unter Spannungen in der Beziehung zu ihrem Kind (35% in allen Ländern und 45% der Deutschen sagten aus, dass sie ihre Belastungsgrenze erreicht hätten (30% in allen Ländern).

Deutsche Angehörige unzufriedener

Deutsche Befragte fühlen sich seltener von den Fachleuten stigmatisiert. Fast 81% waren mit den Angehörigenverbänden zufrieden (60% in allen Ländern). Nur 21% waren mit den Ärzten zufrieden (39% in anderen Ländern). Nur 9% der Deutschen waren mit den Krankenpflegern zufrieden (29% in allen Ländern). Nur 23% waren mit den Sozialarbeitern zufrieden (29% in allen Ländern). 20% waren mit den Versicherungen zufrieden (14 % in allen Ländern).

Nur 28% der Deutschen empfanden ihre Beziehung zu den Ärzten als positiv (39% in allen Ländern). Nur 26% empfanden, dass sie von den Fachkräften ernst genommen wurden (38% in allen Ländern). 19% der Deutschen waren zufrieden mit der Qualität der Hilfe und Unterstützung durch Fachleute (34% in allen Ländern). Nur 15% der Deutschen gaben an, dass es leicht sei, Hilfe und Unterstützung von den Fachkräften für ihr Kind zu erhalte (33% in allen Ländern). 15% gaben an, das die Fachleute Verständnis für ihre Situation hätten (30% in allen Ländern). 14% gaben an, dass es leicht sei, Hilfe von Fachkräften für sich selbst zur erhalten (26% in allen Ländern). 10% der Deutschen gaben an, dass die Fachleute untereinander gut kommunizierten (23% in allen Ländern).

Deutsche Angehörige unzufriedener

Dieses Ergebnis dieser zugegebenerweise kleinen Untersuchung ist ein Armutszeugnis für die Zusammenarbeit und Einbeziehung von Angehörigen in Deutschland, wenngleich die Ergebnisse in allen Ländern auch nicht zufriedenstellend sind. Ich hänge noch die Präsentation an, die durch Kevin Jones und die Projektleiterin des Forschungsinstituts in Leuven, Hilde Lauwers, vor dem Europäischen Parlament gehalten wurde. Einen Tag später hatte ich dann die Gelegenheit, diese Präsentation in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft zu halten und einen Tag später haben Hilde Lauwers und ich das in einer Pressekonferenz dargestellt. Es hat aber wenig Echo in der Presse gefunden, so weit ich weiß – die Situation von Angehörigen von Schizophreniekranken interessiert doch tatsächliche nur wenige Menschen.

Interessant war, dass eine Abgeordnete in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft überbaut nicht verstehen konnte, was denn so anders für Angehörige sei, als bei anderen Kranken. Eine Freundin von ihr habe eine kleine Tochter, die an Diabetes leide, und da sei doch die ärztliche Unterstützung auch für die Mutter ganz hervorragend. Ein anderer Zuhörer aus der Runde war sehr erstaunt, weil der das gleiche berichten konnte von der Situation mit seinem an Epilepsie leidendem Sohn. Das hat mich wieder erstaunt: Es gibt also Krankheiten, bei denen die Versorgung gut klappt und bei denen die Eltern auch ganz selbstverständlich mit einbezogen werden.

Immer wieder wurde nach der Erklärung für diese Situation gefragt: Aber die Antwort kann ich auch nicht geben. Meine vorsichtige These ist, dass eine psychische Krankheit nicht nur die Betroffenen verstört oder verwirrt, sondern alle Menschen, die damit zu tun haben auch. Von uns selbst wissen wir das, aber vielleicht gelingt es Ärzten und Krankenpflegern bei diesen Krankheiten auch nicht, so vernünftig zu reagieren, wie sie es – vielleicht – bei anderen Krankheiten tun?

Deutsche Angehörige unzufriedener

Es handelte sich um eine Vorauswertung, das Institut wertet nun die weiteren Daten aus. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werde ich berichten. Vor allem aber möchte ich all denen danken, die sich die Mühe gemacht haben, den Fragebogen auszufüllen. Das ist eine große Hilfe und kann langfristig und Angehörigen nur nützen.

BergPeer-EUFAMI-8.10.14-deutsche Präsentation Stand 6. Okt

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In eigener Sache: Ich werde manchmal gefragt, weshalb ich dies Bilder in meine Posts einstelle. Eine ganz einfache Antwort. Weil mir das Spaß macht. Es hat keine tiefe Bedeutung. -:)

Bis zum nächsten Mal. Es kann nur besser werden.

Janine Berg-Peer

 

 

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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