Janine Berg-Peer/ Juli 3, 2014/ Alle Artikel, Angehörige, Termine/ 0Kommentare

mozartente-160-120Darf ich noch lachen? Salzburg im Mai 2014

Der Verband der Angehörigen in Österreich hatte mich zu seiner Jahrestagung am 9./10.204 in Salzburg eingeladen. worüber ich mich sehr gefreut habe. Wer möchte nicht gern nach Salzburg? Es war ein insgesamt gelungene Veranstaltung: Viele interessante Rednerinnen, ein wunderschönes Ambiente und hervorragendes Essen. Das ist ja vielleicht für disziplinierte und schlanke Angehörige nicht so wichtig – für mich schon! Entsprechend war auch der große Saal brechend voll – eine Teilnahme, die man sich nur wünschen kann.

Darf ich noch lachen? Salzburg im Mai 2014

Eine gute Auswahl an Redner/innen: Hubert und Helene Beitler (sie haben auch Bücher geschrieben) aus Deutschland berichteten davon, wie sie mit der Erkrankung umgehen. Sowohl Helene Beitler als auch der gemeinsame Sohn leiden an Schizophrenie. Aber sie haben trotz aller Schwierigkeiten einen Weg gefunden, damit unaufgeregt und angemessen umzugehen. „Psychose ist kein Drama!“ war der für mich großartige Satz von Helene Beitler. Was sie damit meinten, beschrieb das Ehepaar anschaulich.
Sie wissen, was in einer Psychose passiert, sie kennen die Frühwarnzeichen und können dann angemessen darauf reagieren. Natürlich ist das kein leichter Weg, aber ein Weg, der ein Leben mit der Diagnose Schizophrenie zu einem guten Leben werden lässt. Dazu passte der Vortrag von Georg Psota aus Wien zum Thema:  „Was/Wer hilft in psychiatrischen Notfällen?“ Kenntnisreich und auch unterhaltsam vorgetragen sprach er darüber, ente-lederhose-160-120welches Verhalten in Notfällen bei psychiatrischen Patienten hilfreich ist.  Überraschend war, wie wenig Kenntnisse auch „Profis“ haben, um gefährliche Situationen richtig einzuschätzen und handeln zu können. Für die immer emotional beteiligten Angehörigen ist das Absprechen und Aufsetzen von Vereinbarungen, von klaren Handlungsplänen in Nicht-Krisenzeiten essentiell und auch beruhigend.

Darf ich noch lachen? Salzburg im Mai 2014

Thomas Kapitany „Trauerarbeit bei Erkrankungen“ führte eindrucksvoll die vielschichtigen Ursachen für Krisen, Ängste und Trauer vor Augen  und machte bewusst, dass Trauerarbeit nicht nur mit Todesfällen verbunden ist, sondern auch teller-160-120mit jeder Art von Verlusterlebnissen, zu auch der Ausbruch einer psychischen Erkrankung und die vielen Krisen danach gehören können.

Mein Vortrag hatte den Titel „Darf ich noch lachen?“ – eine Frage, die vielen Angehörigen nicht unbekannt sein dürfte. Auf jeden Fall haben wir oft nichts zu Lachen, aber ich plädiere dafür, dass wir uns mit Gefühlen auseinandersetzen, die uns daran hindern, selbst das Leben zu genießen. Trauer, Wut, Schuld, Scham, vor allem aber Sorgen und Ängste hindern uns daran, selbst ein gutes Leben zu führen. Vor allem aber hindern uns diese Gefühle oft daran, uns „vernünftig“ unserem erkrankten Kind gegenüber zu verhalten: Wir ertragen alles, wir kontrollieren, wir versuchen zu retten – aber wir vergessen oft, das wir unsere erkrankten Kinder dabei unterstützen müssen, so selbständig wie möglich zu werden. Wir sollten die Krankheit als Realität akzeptieren,die wir weder verschuldet haben, noch heilen oder kontrollieren können. Aber wir können lernen, damit umzugehen. Meinen Vortrag können Sie hier lesen:

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Darf ich noch lachen? Salzburg im Mai 2014

In den nachmittäglichen Workshops wurde in kleinem Kreis diskutiert und die Themen der Vorträge vertieft. Wie ich schon sagte, das Essen war gut, die Stimmung gelöst und anregend – eine gelungenen Veranstaltung. Und eines fiel mir auf: Die Österreicher, vor allem die Oestereicherinnen waren elegant angezogen und waren auch besonders freundlich.schwarzkopfschafe-300
Das tut gut.  Und dann hatte ich noch das große Glück, dass ich bei Sigrid Steffen und ihrem netten Mann Karl-Heinz eingeladen war. Frühstücken und Abendessen auf einer Traumterrasse mit Blick über Salzburg. Sigrid Steffen war lange Jahre die Präsidentin von EUFAMI, der wir sehr viel zu verdanken haben. International ist sie immer noch eine gesuchte Gesprächspartnerin sowohl bei der WHO als auch bei NAMI. Und ich bin sicher, dass ihr auch die österreichische Angehörigenbewegung viel zu verdanken  hat. Sie ist sehr aktiv bei AHA, dem Angehörigenverband in Salzburg. Ihr Mann Karl-Heinz ist ein großartiger Koch und noch vieles andere), der mich aber zu meinem fast ersten Glas dunklen rauchigen Whiskeys verführt hat. Im Hintergrund war das sanfte „Mäh“ seiner Schwarzkopfschafe zu hören, die von ihm liebevoll gepflegt werden. Danke, Sigrid und Karl-Heinz!

Ein schöner Ausflug nach Salzburg, ich komme gern wieder. Sigrid und ich haben noch viel vor!

 

 

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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